14. Ist Jesus GOTT, weil er Sünden vergeben hat?

Im Altertum haben Rabbis und griechische theistische Philosophen gelehrt, dass GOTT bestimmte Vorrechte hat, die allein nur IHM zustehen. Das Judentum behauptet, dass eines dieser Vorrechte die Vergebung von Sünden ist. Das Judentum hat auch entschieden, dass der Messias die Macht der Sündenvergebung im letztgültigen Sinne nicht besitzen würde.

Auch viele Christen glaubten und glauben auch heute, dass die Sündenvergebung ein Vorrecht ist, das allein nur GOTT zusteht. Deshalb behaupteten sie, dass die Beispiele in den neutestamentlichen Evangelien, in denen Jesus mit Worten auch Sünden vergeben hat, die nicht gegen ihn begangen worden sind, bezeugen würden, dass er GOTT ist.

Nur Lukas berichtet von solch einem Ereignis. Eine Frau von schlechtem Ruf hat Jesus die Füße mit kostbarem Öl gesalbt und dabei heftig geweint (Luk 7, 36-50). Danach hat Jesus zu ihr gesagt: „Dir sind deine Sünden vergeben“ (V. 48). Die Anwesenden wunderten sich darüber und haben sich gefragt: „Wer ist dieser, der auch die Sünden vergibt?“ (V. 49). Sie haben geglaubt, dass nur GOTT die Sünden vergeben kann.

Die drei synoptischen Evangelien berichten von einer anderen, ähnlichen Begebenheit, die etwas ausführlicher beschrieben ist. In dieser Geschichte lehrt Jesus in einem überfüllten Haus, als plötzlich ein gelähmter Mann, auf seiner Matte liegend, durch das Dach zu ihm heruntergelassen wird (Matth 9, 1-8; Mark 2, 1-12; Luk 5, 17-26). Markus berichtet: „Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: Wie redet der so? Er lästert GOTT! Wer kann Sünden vergeben als GOTT allein? Und Jesus erkannte sogleich in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh umher? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim! Und er stand auf, nahm sein Bett und ging alsbald hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und GOTT priesen und sprachen: Wir haben so etwas noch nie gesehen.“ (Mark 2, 5-12).

Deswegen haben diese Schriftgelehrten, die angeblich Experten des mosaischen Gesetzes (Thora) gewesen sind, Jesus der Gotteslästerung beschuldigt, weil sie der Meinung gewesen sind, er hätte ein Vorrecht in Anspruch genommen, das nur GOTT allein zukommt.

In der Thora ist die Beleidigung der Ehre GOTTES ein wichtiger Grund für eine Gotteslästerung gewesen. Sie hat dafür die Todesstrafe verlangt (3. Mo 24, 15-16; vergl. auch 4. Mo 15, 30-31). Jesus hat ohne Zweifel seine Frage im Interesse der versammelten Menge gestellt. Diese Menschen werden ganz sicher das aus der Vergangenheit herrührende Prinzip gekannt haben, das hinter dem Denken der Schriftgelehrten steckte. Die einfache Antwort auf die Frage, die Jesus gestellt hat, würde wohl gelautet haben, dass es einem Menschen nicht möglich ist, einen Gelähmten zu heilen; aber wenn Jesus ihn geheilt hat, dann würde das zeigen, dass er auch die Vollmacht hat, diesem Menschen die Sünden zu vergeben.

Später, bei anderen Gelegenheiten hat Jesus behauptet, dass er am jüngsten Tag die Macht haben wird, die Menschen zu richten (Matth 16, 27; 25, 31-46). Einmal hat er verkündet: „Denn der Vater richtet niemand, sondern hat alles Gericht dem Sohn übergeben“ (Joh 5, 22). Ganz sicher hat diese Vollmacht und Autorität das Recht eingeschlossen, solches auch schon vor dem Tag des Gerichts tun zu können, wie das Beispiel von dem gelähmten Mann zeigt, den man zu ihm gebracht hat.

GOTT hat die Vollmacht, Sünden in einem letztgültigen Sinne vergeben zu können, auch anderen, außer Jesus, gegeben. Und in den Beispielen, wo ER das getan hat, ist in der Regel niemand auf die Idee gekommen, dass die Empfänger dieser Macht GOTT selbst gewesen sind. Das beste alttestamentliche Zeugnis dafür ist „der Engel des HERRN“. GOTT hatte den durch die Wüste wandernden Israeliten bezüglich dieses Schutzengels Israels gesagt: „Siehe, ICH sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ICH bestimmt habe. Hüte dich vor ihm und gehorche seiner Stimme und sei nicht widerspenstig gegen ihn; denn er wird euer Übertreten nicht vergeben, weil Mein Name in ihm ist“ (2. Mo 23, 20-21). Dieser „Engel“ ist ganz sicher ein anderer als GOTT gewesen.

Außerdem hat Jesus zu Petrus gesagt, als dieser ihn als den Christus, den Sohn GOTTES, erkannt hatte: „Und ich sage dir auch: ‚Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein“ (Matth 16, 18-19).

Jesus hat hier die Aussage „Himmel“ als Umschreibung für GOTT gebraucht, was bedeutet, dass GOTT dem Urteil von Petrus zustimmen wird. Als Jesus ein zweites Mal darüber gesprochen hat, ist er etwas konkreter geworden. Unter anderem scheint hier beim Herabrufen des himmlischen Gerichts, die Vergebung der Sünden und die Verweigerung der Vergebung der Sünden enthalten zu sein. Denn Matthäus berichtet, dass Jesus die gleiche Verheißung im Zusammenhang mit der Vergebungsbereitschaft gemacht hat (zwischen Matth 18, 15-17 und 21-35). Jesus hat dieses bei einer seiner Erscheinungen nach seiner Auferstehung noch deutlicher gemacht. Dieses ereignete sich an dem Abend, als er auf geheimnisvolle Weise die Jünger angehaucht und ihnen den heiligen Geist gegeben hat. Danach hat er zu ihnen gesagt: „Wem immer ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr sie festhaltet, dem sind sie festgehalten“ (Joh 20, 23 – Zürcher). R.E. Brown interpretiert diese Worte so: „Wenn du den Menschen die Sünden vergibst, dann vergibt GOTT diese Sünden im gleichen Moment auch und sie bleiben vergeben.“

Die Verleihung des heiligen Geistes an die Jünger und die Aussage Jesu, dass sie die Macht haben, Sünden zu vergeben, zeigt uns die Weiterleitung dieser göttlichen Vollmacht und Autorität von Jesus auf seine Jünger. Dieses hatte zum Ergebnis, dass auf diese Weise der Dienst Jesu auf der Erde durch die Gemeinde fortgeführt werden konnte, nachdem er in den Himmel gegangen ist.

Aus den obigen Aussagen muss man Folgendes schließen: Wenn GOTT Engeln und Menschen die Vollmacht gibt, Sünden zu vergeben und dieses nicht darauf hinweist, dass sie GOTT sind, dann ist es nicht sicherlich erforderlich, dass Jesus unabdingbar GOTT sein muss, nur weil er die Vollmacht hat, die Sünden zu vergeben.

Auch die Macht und Autorität, die Jesus am jüngsten Tag als Richter haben wird, weist nicht zwangsläufig darauf hin, dass er GOTT ist. Und weil diese Vorrechte Jesus nicht von Natur aus gehören, sondern ihm von seinem Vater gegeben worden sind (Joh 5, 22 u. 27; 8, 16), offenbart uns diese Tatsache auch, dass Jesus immer GOTT untergeordnet gewesen ist und daher nicht GOTT gewesen sein kann.