45. Hat Paulus gelehrt, dass Jesus GOTT ist?

Saulus von Tarsus ist ein religiöser Eiferer gewesen, der der neuen Jesus-Bewegung feindselig gegenübergetreten ist. Er hat jüdische Christen gefangen genommen und in Gefängnissen einsperren lassen. Eines Tages ist er auf dem Weg von Jerusalem nach Damaskus in Syrien gewesen, um dort Gleiches zu tun, als er durch eine Vision auf dramatische Art und Weise zum Glauben an Jesus bekehrt worden ist (Apg 9,1-19; 22,3-21; 26,4-18). Nach diesem Ereignis hat dieser unermüdliche Arbeiter, dann als Apostel Paulus, einen höchst bedeutungsvollen Einfluss auf den christlichen Glauben gehabt.

Als Missionar ist er viel umhergereist und hat das Evangelium in weiten Teilen der damaligen römischen Welt verbreitet. Als ehemaliger Pharisäer hat Paulus sein Wissen über die Schrift (das Alte Testament) genutzt und ist so ein scharfsinniger christlicher Theologe geworden. Das Alte Testament ist für ihn und die anderen ersten jüdischen Christen eine wichtige Quelle der Lehre gewesen. Seine Lehre über den einen GOTT und Seinen Messias ist fest im Alten Testament verwurzelt gewesen. Das ist mit ein Grund, weshalb Paulus in dem neutestamentlichen Buch der Apostelgeschichte niemals angeklagt worden ist, dass er seinen monotheistischen Glauben und die Tradition der Väter verlassen hätte.

Vincent Taylor sagt: "Wir können die dominierende Stellung des Monotheismus in der Christologie des heiligen Paulus feststellen … In seinen christologischen Aussagen liegt die Betonung immer auf GOTT." Daher schließt auch Hans Küng: "Paulus kann nur von seinem Ursprung im Judentum her verstanden werden." Paulus weist in einigen seiner neutestamentlichen Briefe klar auf das Shema Israel hin. Es ist auch heute noch das alleinige religiöse Glaubensbekenntnis der Juden. Das Shema erklärt: "Höre, Israel: Der HERR ist unser GOTT, der HERR allein!" (5.Mo 6,4). Von der Tradition geprägte Christen argumentieren oft, dass das "allein" trotzdem ihren trinitarischen Glauben ermögliche. Es scheint aber ziemlich offensichtlich zu sein, dass mit "allein" ein zahlenmäßig Einer gemeint ist. Denn dieser Glaube ist es, was die Juden von alters her zu dem gemacht hat, was sie sind. Die Anbetung des einen GOTTES hat sie von den polytheistischen Heiden unterschieden, die viele Götter angebetet haben. Deshalb hat Paulus an die Gemeinde in Rom geschrieben: "GOTT ist einer." (Röm 3,30).  Und er beendet diesen Brief mit der Doxologie: "Dem allein weisen GOTT durch Jesus Christus, IHM sei die Herrlichkeit in Ewigkeit!" (Röm 16,27). Es ist hier zu bemerken, wie Paulus zwischen dem alleinigen GOTT und Jesus Christus unterscheidet.  Paulus hat auch an die Galater geschrieben: "GOTT aber ist nur einer" (Gal 3,20). Und in seinem ersten Brief an Timotheus beschreibt Paulus den Vater als "den alleinigen GOTT" (1. Tim 1,17); und er sagt es noch deutlicher: "Denn einer ist GOTT" (1. Tim 2,5).

Die folgenden Aussagen, die Paulus gemacht hat, spiegeln klar das Shema Israel wider und schreiben deutlich fest, dass es
1.) nur einen GOTT gibt, nämlich den GOTT des Alten Testamentes, dass
2.) dieser eine GOTT nur der Vater allein ist und dass
3.) dieser eine GOTT und Jesus Christus als zwei eigenständige Wesen unterschieden werden müssen, woraus sich ergibt, dass Jesus nicht GOTT ist:

"so wissen wir, …  dass kein Gott ist als nur Einer … so ist doch für uns ein GOTT, der Vater, von dem alle Dinge sind und wir auf IHN hin, und ein Herr, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn" (1. Kor 8, 4+6)

"Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, … ein GOTT und Vater aller …" (Eph 4,5+6).

Einige Theologen sind der Auffassung, dass diese beiden Abschnitte vorpaulinische Bekenntnisaussagen sein können. Frances Young schließt aus ihnen mit Bezug auf Paulus und seine von ihm zum Glauben bekehrten Christen ganz richtig: "Ihr GOTT war der GOTT des Alten Testamentes und ihr Herr, Jesus, war der ‚Statthalter GOTTES [sic].‘"

Alle oben angeführten Anspielungen auf das Shema Israel sind also der klare Beweis, dass der Apostel Paulus niemals von seinem strikt monotheistischen Hintergrund abgewichen ist, nach dem es nur einen zahlenmäßig einen GOTT gibt. Vincent Taylor hat sehr sinnreich über diesen eifrigen Apostel Christi gesagt: "Er will in seinem Glauben, dass GOTT ein GOTT ist, keine Kompromisse eingehen, auch nicht Christus zuliebe."

Paulus hat wiederholt davon gesprochen, dass Jesus einen GOTT hat, - den Vater (Röm 15,6; 2. Kor 1,3; 11,31; Eph 1,3+17; Kol 1,3). In allen Grußformeln seiner zehn Briefe führt Paulus "GOTT, den Vater" und "Jesus Christus" nebeneinander an, jedoch niemals erwähnt er hier den Heiligen Geist. Was Paulus über die Einheit oder das Einssein GOTTES gelehrt hat, erlaubt also nicht die späteren binitarischen und dann trinitarischen kirchlichen Lehren. Der angesehene jüdische Gelehrte Joseph Klausner stellt sehr richtig fest: "Paulus, ein Jude, geht nicht so weit, dass er Jesus ‚GOTT‘ nennt."

Was hat es aber mit den Texten auf sich, die Trinitarier gern als Beweis des Gegenteils anführen? An erster Stelle wird oft Röm 9,5 genannt. Da die frühen griechischen Handschriften des Neuen Testaments - wobei die frühen als die besten angesehen werden - in Unzialschrift (ausschließlich Großbuchstaben ohne Zeichensetzung und Abstand zwischen den Worten) abgefasst worden sind, geht es um die Frage, wie die Satzzeichen im letzten Teil von Röm 9,5 zu setzen sind. In einigen Übersetzungen finden wir: "Christus … der da ist GOTT über alles, gelobt in Ewigkeit" oder Worte mit ähnlicher Ausrichtung, die Jesus "GOTT" nennen. In anderen Übersetzungen heißt es: "Christus … Dafür sei GOTT, der HERR über alles, in Ewigkeit gepriesen!" oder so ähnlich, wobei Jesus nicht "GOTT" genannt wird. Wenn man nachschaut, was moderne Neutestamentler sagen, dann zeigt sich, dass auch sie gleichermaßen unterschiedlicher Meinung sind, auch wenn die große Mehrheit glaubt, dass Jesus an anderen Stellen des Neuen Testaments "GOTT" genannt wird.

Trinitarier zitieren auch andere Stellen von Paulus, um ihre Meinung, dass Jesus GOTT ist, zu untermauern. Aber die Überprüfung in verschiedenen Bibelübersetzungen, Schriften von Grammatikern und Auslegern des Neuen Testaments zeigt, dass auch sie sich nicht einig sind, ob in diesen Versen nur von Jesus die Rede ist - man spricht dann von der "eine Person-Sicht" - der in diesen Fällen "GOTT" genannt wird, oder ob hier beide genannt sind, GOTT, der Vater, und Jesus - auch "Zwei Personen-Sicht" genannt - und Jesus dann nicht "GOTT" ist. Trinitarier behaupten zum Beispiel, dass Paulus in 2. Thess 1,12 Jesus gemeint hat, wenn er von "der Gnade unseres GOTTES" gesprochen hat. Aber in den meisten neueren Bibelübersetzungen hat man diesen Teil des Verses mit "die Gnade unseres GOTTES und des Herrn Jesus Christus" übersetzt, also in der "Zwei Personen-Sicht", so dass Jesus nicht "GOTT" genannt wird.

Der bekannte und komplexe Hymnus in Phil 2,6-11 sollte getrennt an anderer Stelle behandelt werden.

Ein weiterer schwieriger Vers ist Titus 2,13. In den meisten Bibelübersetzungen wird von der  "Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus" gesprochen und Jesus also "GOTT" genannt. Die meisten Theologen stimmen dem zu. Aber in anderen Bibelübersetzungen heißt es an dieser Stelle: "Herrlichkeit des großen GOTTES und unseres Heilands Jesus Christus"; Jesus ist hier also nicht "GOTT".

Solche grammatikalisch nicht unproblematische Verse sollten allerdings die vielen Stellen, die Paulus geschrieben hat, nicht außer Kraft setzen, in denen Folgendes deutlich wird:

1.) Immer ist er ein strenger Monotheist, der glaubt, dass GOTT ein zahlenmäßig Einer ist.
2.) Nie führt er eine Diskussion darüber, ob Jesus präexistiert hat oder GOTT war.
3.) Immer unterscheidet er zwischen GOTT und Christus.
4.) Sehr oft tauscht er die Worte "GOTT" und "der Vater" gegeneinander aus.
5.) Wiederholt sagt er, dass Jesus einen GOTT über sich hat.
6.) Mehrmals erklärt er, dass nur der Vater "GOTT" ist.