Präexistenz - hat Jesus gelebt bevor er geboren wurde? pdf

Wer sich mit der Trinitätslehre beschäftigt, kommt in aller Regel früher oder später auch zu der Frage nach der Präexistenz Jesu. Ich finde es selbst erstaunlich, wie oft ich auf dieses Thema angesprochen werde und wie klar es für viele ist, dass Jesus nicht präexistent war. Vorab sei jedoch festgehalten, dass mir diese Frage nicht von übergroßem Gewicht erscheint und ich deshalb alle bitten möchte, sich nur dann in das Thema zu vertiefen, wenn wirkliches Interesse daran besteht.

Als ich vor Jahren in dem Buch von Anthony Buzzard über die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes las, dass er die Präexistenz infrage stellt, dachte ich zunächst, dass das Unsinn sei, wurde doch meiner Ansicht nach in der Heiligen Schrift vielerorts völlig klar bezeugt, dass unser Herr Jesus Christus eine reale vormenschliche Existenz hatte. Das hatte ich bis dahin auch immer so in Predigten gehört. Insofern kann ich bis heute alle diejenigen sehr gut verstehen, denen es absurd erscheint, sich darüber überhaupt Gedanken zu machen. Nachdem ich mich jedoch den Bibelstellen offen gestellt hatte, welche dieser Infragestellung zugrunde liegen, erschien eine ablehnende Haltung gegenüber der Präexistenz durchaus möglich zu sein.

Als Beispiel möchte ich zunächst zwei entsprechende Passagen nennen, die die Problematik verdeutlichen sollen. Mit am bekanntesten hierin dürfte die Aussage Jesu sein in Joh 8,58:

Ehe Abraham war, bin ich

Demgegenüber steht in Gal 3,16:

Christus ist der Nachkomme Abrahams (der Text im Wortlaut)

Die Frage ist also: Vor oder nach Abraham?

Wurde Jesus Christus vor Abraham geboren, oder erst nach ihm? Hat Gott recht, der Jesus als Nachkomme Abrahams bezeichnet? Oder hat der Sohn Gottes recht, der (zumindest scheinbar) das Gegenteil sagt? Oder ist es gar so, wie gemeinhin verkündigt wird, dass Jesus Christus als Sohn Gottes vor aller Zeit geboren wurde, aber als Mensch nach Abraham geboren wurde (die Zwei-Naturen-Lehre)?

Hiermit scheinen mir zumindest drei mögliche Sichtweisen grob umrissen zu sein. Ich führe sie hier nochmals etwas weiter aus, um es verständlicher zu machen, bevor ich ins Detail gehe.

  1. Dass Jesus Christus der Nachkomme von Eva (1.Mo 3,14-15), von David (2.Sam 7,12-14a) und Abraham (Mt 1,1) und schließlich auch von Maria (Lk 1,35) ist, er somit "aus seinen Brüdern erweckt wurde" (5.Mo 18,18) und eindeutig der Nachkommenschaft Davids (Off 5,4-5) zugerechnet wird, findet sich zuhauf in der Bibel.
  2. Dass Jesus Christus vor Abraham (Joh 8,58) und auch vor Johannes dem Täufer war (Joh 1,15), bezeugt hauptsächlich das Johannes-Evangelium. Dort redet der Herr Jesus beispielsweise von der Herrlichkeit, welche er beim Vater hatte ehe die Welt war (Joh 17,5) und auch davon, dass er aus dem Himmel herabgekommen ist (Joh 6,51 u.a.).
  3. Dass Jesus Christus quasi zweimal geboren wurde, wird irgendwie von den meisten Christen geglaubt, obwohl sie das so niemals sagen würden und auch die Bibel es nicht tut. Zunächst einmal sei er von Anfang an bei Gott gewesen, sozusagen als erstes Reden aus Gott hervorgegangen (1.Mo 1,3). In dieser Ansicht gibt es bei der "ersten Geburt" keine Mutter, diese kam erst bei der "zweiten Geburt" dazu, nämlich Maria. (Entsprechend dem Dogma der Dreieinigkeit soll Jesus Christus allerdings ohne Anfang und somit ohne Geburt sein. Aber wenn er genauso ohne Anfang ist wie sein Vater, dann ist er nicht der Sohn im Sinn des Wortes.)

Für dieses Problem scheint es im Wesentlichen zwei Lösungsmöglichkeiten zu geben: 

Die einen sehen die Lösung darin, die Aussagen Gottes wörtlich zu nehmen und dagegen die Aussagen Jesu nur in einem übertragenen Sinn zu verstehen. Vor Abraham und vor Johannes dem Täufer bedeutet dann, dass Jesus im Plan, in der Vorsehung Gottes sowie in den Verheißungen zuerst - vor diesen - vorhanden war und dass er im Rang vor allen anderen ist, ausgenommen natürlich Gott selbst (1.Kor 15,27).

Die anderen nehmen vielmehr Jesu Aussagen wortwörtlich, nämlich dass er vor Abraham war und buchstäblich aus dem Himmel herabgekommen sei, um somit Gottes Aussagen, dass der Messias Abrahams Nachkomme sein würde, einzuschränken und nur auf die menschliche Seite Jesu zu beziehen. Weithin wird behauptet, Jesus habe eine göttliche und eine menschliche Natur. Als Mensch sei er natürlich der Nachkomme, aber als... - ja als was? als Himmelswesen oder gar als ein Gott? - sei er schon immer existent gewesen. Prä-existent eben. Wenn Jesus tatsächlich Mensch geworden ist, dann muss er zuvor etwas anderes gewesen sein. Die Bibel sagt aber weder, dass er Mensch wurde, noch, dass er zuvor etwas anderes war. Sehr oft wird gepredigt, dass Jesus im AT als der Engel des HERRN in Erscheinung getreten sei, eine Annahme, die sowohl bei den Evangelikalen wie auch bei den Zeugen Jehovas zu finden ist. Letztere geben ihm konkret den Namen Michael, der laut dem Propheten Daniel der Fürst des Volkes Israel ist. Die ersten Verse im Hebräerbrief implizieren jedoch ausdrücklich, dass Gott zur Zeit des AT nicht durch seinen Sohn geredet hat. Dort steht:

Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn (Heb 1,1-2a)

Das Reden Gottes durch seinen Sohn steht also im zeitlichen Kontrast zu Gottes Reden durch die Propheten des AT. 

 

Wann wurde Jesus Christus geboren?

Bei dieser Frage kommen viele Gläubige etwas in Verlegenheit, da die Bibel nur von der Geburt durch Maria berichtet, sie aber davon überzeugt sind, dass dies nicht seine eigentliche Geburt war. Und dann geht das Rätselraten und Spekulieren los. Karl-Josef Kuschel betitelte ein Buch zu diesem Thema mit "Geboren vor aller Zeit". Das klingt nach "sehr früh", aber beinhaltet noch immer eine Geburt. Andere gehen weiter zurück indem sie sagen, dass Jesus genauso ewig sei wie sein Vater oder verdammen alle diejenigen, die sagen, dass es eine Zeit gab, da es ihn noch nicht gab (Nicänisches Bekenntnis). Gott selbst würde auch unter ihr Urteil fallen, denn er sagte: "Heute habe ich dich gezeugt" (Ps 2,7 / Heb 1,5 / 5,5). Die Frage sei erlaubt: Wann war das, worauf bezieht sich das "heute"? Und damit sind wir wieder bei Maria bzw. am Beginn der Evangelien Matthäus und Lukas. Dort - und nirgends sonst in der Bibel - wird von der Zeugung und Geburt des Herrn Jesus berichtet:

Lk 1,35 Und der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden.

und vom Zeugnis Gottes bei der Taufe Jesu: 

Mt 3,17 Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.

Mk 1,11 Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.

LK 3,22 Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.

War seine Geburt nun wirklich seine Geburt? Die Bibel berichtet von keinem anderen Ereignis, das als die Geburt Jesu bezeichnet werden könnte. Warum also glauben die Gläubigen der Bibel nicht, die sie doch als ihre Grundlage bezeichnen? Das, was die Bibel als Geburt beschreibt, verstehen die meisten viel eher als Verwandlung eines Himmelswesens, um die eigentliche Geburt dahin zu platzieren, wovon die Bibel nichts sagt.

Man könnte sich nun mit Auslegung versuchen: Jesus sagte von sich in Off 3,14, dass er der Anfang der Schöpfung Gottes ist. Somit wäre er zwar geschaffen, aber immerhin als erstes. Und um das möglichst biblisch zu untermauern könnte man Jesus in Joh 8,12 zitieren: "Ich bin das Licht der Welt" und anschließend den ersten Schöpfungsakt, als Gott sprach: "Es werde Licht". Somit wäre Jesus der Anfang der Schöpfung und das wäre noch dazu irgendwie passend zu Joh 1,1: "Im Anfang war das Wort" im Sinne der Ausleger, die mit Wort nicht Wort im Sinn von Wort meinen, sondern ein undefiniertes Himmelswesen, das Wort und ebenso Gott genannt wird, und zugleich bei Gott war. Personifiziert.

Man möge mir nachsehen, dass ich dies nun etwas zynisch geschrieben habe, aber in diese Richtung gehen die Argumente, die ich immer wieder zu hören bekomme. Auch das Athanasium betont, dass Jesus aus dem Vater allein hervorgegangen sei. Selbstverständlich ohne entsprechende Bibelstellen oder biblische Zitate. 

Die Bibel selbst redet (Wort!) schon auf ihren ersten Seiten von einem, der kommen sollte. Gott selbst bezeichnete ihn als Nachkomme der Frau (siehe oben), als Sohn Abrahams und Davids und als seinen Sohn (Ps 2,7; 2.Sam 7,14). Somit wären wir ebenso bei "Im Anfang war das Wort", jedoch im buchstäblichen Sinne bei Wort (Rede, Verheißung, Plan, Logik... griech.: Logos) (Auslegung zum "Johannesprolog"). 

Das Neue Testament beginnt mit folgendem Satz:

Mt 1,1 Buch des Ursprungs Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.

Damit fängt der Bericht an, in dem von Jesu Zeugung in Maria und seiner Geburt berichtet wird, nicht jedoch von der Verwandlung eines präexistenten Wesens. Und kein anderes Evangelium begründet seine Aussagen über Jesus so sehr mit den Aussagen der Propheten des AT wie eben Matthäus. Aber auch viele andere Schreiber des NT zeigen, dass viele der Messias-Verheißungen des AT in Jesus erfüllt wurden. So schreibt Petrus in seinem ersten Brief, dass die Propheten die Leiden, die auf Christus kommen sollten, und die Herrlichkeiten danach schon vorher bezeugten (1.Pet 1,11).

Es könnten noch weitere Stellen für beide Seiten angeführt werden, es bleibt dennoch dabei, dass die Bibel allein von der Geburt Jesu durch Maria weiß, in ihr gezeugt durch Gottes Geist und Kraft. "Darum wird das in dir gezeugte 'Sohn Gottes' genannt werden." Aus diesem Grund! So die Worte des Engels Gabriel, der von Gott zu Maria gesandt war (Lk 1,26-38).

 
Nachfolgend nun ein paar wenige beispielhafte Bibelstellen hierzu mit jeweils zwei möglichen Deutungsvarianten.

Joh 1,1-3 u. 14 (aus dem Johannesprolog)

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist … Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

entweder…

…man personifiziert das Wort

Im sog. Johannesprolog sehen die meisten Christen die Präexistenz Jesu klar begründet. Jesus war das Wort, das bei Gott war und zugleich selbst (auch ein) Gott ist.

Jesus als das Wort hat alles erschaffen, wahlweise als der Schöpfer aller Dinge oder als ausführender von Gottes Aufträgen.

Und dieses Wort wurde Fleisch, was bedeutet, dass Jesus im Himmel existent war – prä-existent – und auf geheimnisvolle Weise Mensch wurde; oder auch: Gott wurde Mensch.

In Off 19,13 wird Jesus Christus als Reiter eines weißen Pferdes beschrieben, der den Namen "das Wort Gottes" trägt, wobei dies im NT kein feststehender Begriff für den Herrn Jesus ist, wie es oft behauptet wird. Dennoch wird dies gerne als Beleg angeführt. Im Johannesprolog ist allerdings nicht vom Wort Gottes die Rede, sondern es heißt "Gott war das Wort" bzw. je nach Übersetzung "Das Wort war Gott". Da "Das Wort war Gott" und "Gottes Wort" zwei sehr unterschiedliche Ausdrücke sind, sollte man nicht "Äpfel mit Birnen" vergleichen.

oder…

…man belässt es sächlich als Rede Gottes

Wenn man einfach glaubt, was hier geschrieben steht, dann ist eben vom Wort im Sinn von Sprache und Verheißung die Rede, nicht von einer Person, einem "Himmelswesen" oder einem zweiten Gott, der bei Gott war. Gott ist ohne Zweifel der Höchste, und was er sagt ist das Höchste. (mehr)

Im Schöpfungsbericht in 1.Mo 1, an den der Johannes-Prolog anklingt, wird berichtet, dass Gott sprach - und es geschah. Das wird z.B. bestätigt in Ps 33,6 u. 9 und auch im NT mehrfach. Gott selbst betont in Jes 44,24 ausdrücklich, dass niemand bei ihm war, als er alles erschuf: "Ich allein!"

In der Bibel ist hinsichtlich der Geburt des Herrn Jesus nicht von einer Verwandlung die Rede, hier nicht und auch anderswo nicht, sondern davon, dass das, was Gott gesagt (verheißen) hatte, nun in die Tat umgesetzt wurde.

"Jesus wurde Mensch" oder auch "Gott wurde Mensch" sind unbiblische Ausdrucksweisen.

In Ep 3,11 steht, dass Gott seinen ewigen Vorsatz verwirklicht hat in Christus Jesus, unserem Herrn

Die gewöhnliche Auslegung, dass mit Wort der Herr Jesus in seiner Präexistenz gemeint sei, ist so weit verbreitet, dass man es beim Lesen der oben genannten Verse automatisch annimmt, obwohl der Text es nicht aussagt. Es handelt sich dabei um eine menschliche Interpretation und es ist ein typisches Beispiel für die sog. Brille, durch welche man oft unbemerkt liest. Tatsächlich berichtet das AT wie auch das NT nirgends von Jesus als real existierend vor seiner Geburt, aber über und über finden sich Verheißungen, die ihn als den Kommenden ankündigen.

Von Anfang an war das Wort, die Rede vom Messias, dem Gesalbten – und als die Zeit erfüllt war, wurde er durch Gottes Geist in Maria gezeugt und schließlich von ihr geboren. Gott hat seine Zusage wahr gemacht; das Wort wurde Fleisch.

 

Joh 17,5

Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war!

entweder…

…der Herr Jesus war tatsächlich in Herrlichkeit beim Vater und bittet hier nun darum, wieder diese Herrlichkeit zu erhalten, nachdem er sie verlassen hatte.

Joh 16,28 sagt das sehr deutlich, wenngleich hier nicht von Herrlichkeit gesprochen wird: Ich bin von dem Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; wieder(um) verlasse ich die Welt und gehe zum Vater.
"Wieder(um)" meint offensichtlich ein Zurückkehren in einen vorherigen Zustand oder Rang oder dergleichen. Das zugrunde liegende griechische Wort wird hauptsächlich in diesem Sinn benutzt, wie ein Bruder in einer Ausarbeitung schlüssig darlegte, die ich hier gerne zur Verfügung stelle. Er ist davon überzeugt, dass der Herr Jesus präexistent war, aber dennoch nicht Gott ist.

Joh 3,13 bringt dies ebenso zum Ausdruck, wo der Herr Jesus im Gespräch mit Nikodemus sagte:

Und niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel als nur der, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen.

Besonders in Joh 6 und 8 finden sich sehr viele solcher Stellen, in denen Jesus sagte, dass er
 - aus dem Himmel herabgekommen ist
 - das lebendige Brot aus dem Himmel ist
 - nicht von dieser Welt ist
 - dahin auffahren werde, wo er zuvor war
 - ehe Abraham war
um einige Beispiele zu nennen.

Und natürlich wird Phil 2,5-8 gemeinhin so verstanden, dass der Herr Jesus Gott war und Mensch wurde, um nach der Erfüllung seines Auftrages wieder zurück zu kehren (wieder Gott zu werden? "Gott" und "Herr" wird von sehr vielen gleichgesetzt).

oder…

…er bittet darum, nun mit der Herrlichkeit verherrlicht zu werden, die ihm als dem Messias schon von Anfang an verheißen, ja sogar unausgesprochen in Gottes Plan für ihn vorgesehen war.

Bereits in Vers 1 kommt das zum Ausdruck, indem Jesus sein Gebet beginnt: "Vater, die Stunde ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn." Nun ist offenbar der Zeitpunkt der Verherrlichung gekommen. Es wird hier im Gegensatz zu 16,28 (s. linke Spalte) kein "wieder" verwendet.

Dies findet eine recht klare Bestätigung in 1.Pet 1,11, wo geschrieben steht, dass die Propheten schon vorher die Herrlichkeiten bezeugten, die auf Christus nach seinen Leiden kommen sollten (1.Pet 1,11).
Zuerst Leiden, danach Herrlichkeiten!

Dasselbe bezeugte der Herr Jesus selbst in Lk 24, als er den "Emmaus-Jüngern" vorwarf, dass sie Toren seien und im Herzen zu träge, um den Propheten zu glauben (V.25), indem er rhetorisch in Vers 26 fragte: Musste nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit hineingehen?
"In seine Herrlichkeit" hineingehen, nach den Leiden - Er zeigt auf, dass die Propheten die Herrlichkeit des Christus voraussagten.

Phil 2 legt dar, dass der Grund für die Erhöhung des Herrn Jesus durch Gott zum Herrn über alles im Himmel, auf der Erde und unter der Erde darin liegt, dass der Herr Jesus gehorsam war bis zum Tod, ja sogar bis zum Tod am Kreuz / Fluchholz. (Phil 2,8-11)
Darum hat Gott ihn so hoch erhoben...

Es steht in Heb 1,3 geschrieben, dass der Sohn Gottes sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt hat nachdem er die Reinigung von den Sünden bewirkt hat.

Und schließlich wird in Off 5 beschrieben, dass der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids (Jes 11,1 u. 10) überwunden hat und deswegen würdig ist, das Buch aus der Rechten dessen zu nehmen, der auf dem Thron sitzt, und seine sieben Siegel zu öffnen. Das Lamm musste also erst geschlachtet werden, bevor es dazu würdig war.

Ich meine, dass die Erhöhung des Herrn Jesus wegen seines Gehorsams nur dann sinnvoll ist, wenn er zuvor nicht schon tatsächlich in dieser Position war, sondern dies im Sinn von Verheißung zu verstehen ist. Diese Sichtweise tut meines Erachtens der Heiligen Schrift keine Gewalt an, wie die rechte Spalte aufzeigt und zudem durch Röm 1,1-4 untermauert wird:

Paulus, Knecht Christi Jesu, berufener Apostel, ausgesondert für das Evangelium Gottes, das er durch seine Propheten in heiligen Schriften vorher verheißen hat über seinen Sohn, der aus der Nachkommenschaft Davids gekommen ist dem Fleische nach, und als Sohn Gottes in Kraft eingesetzt dem Geist der Heiligkeit nach aufgrund der Totenauferstehung: Jesus Christus, unseren Herrn.

Hiernach ist Jesus als Sohn Gottes in Kraft eingesetzt erst aufgrund der Totenauferstehung (andere ÜS: durch die Auferstehung aus den Toten). Gottes Sohn war er natürlich seit seiner Zeugung durch den Geist Gottes in Maria, aber in die Vollmacht, die er nun und für immer innehat, wurde er erst nach der Totenauferstehung eingesetzt.

Die Herrlichkeit vor Grundlegung der Welt findet in gewisser Hinsicht ihre Parallele auch in anderen Schriftstellen:

- Dann wird der König zu denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, Gesegnete meines Vaters, erbt das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an! (Mt 25,34)
- Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus hat uns in Christus Jesus erwählt vor Grundlegung der Welt (Ep 1,3-4)
- Alle Werke sind geschaffen von Grundlegung der Welt an (Ep 2,10; Heb 4,3)
- ...und die Bewohner der Erde, deren Namen nicht im Buch des Lebens geschrieben sind von Grundlegung der Welt an, werden sich wundern, wenn sie das Tier sehen (Off 17,8)
- Gott hat uns gerettet und berufen mit heiligem Ruf [...] nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns [...] vor ewigen Zeiten gegeben, jetzt aber offenbart worden ist (2.Tim 1,9-10a)

Für und mit den durch Christus Erlösten ist offensichtlich vor Grundlegung der Welt schon einiges geschehen, wobei niemand ernstlich von einer Präexistenz der Gläubigen ausgehen würde, auch wenn sie hier noch so sehr nahe zu liegen scheint. Und dass Jesus, der Messias, nicht von dieser Welt ist, beinhaltet genau so wenig seine Präexistenz wie die der Gläubigen, denn auch Letztere sind nach Jesu Worten nicht von der Welt (Joh 15,19; 17,14; 17,16).

Aber man kann natürlich aufgrund der linken Spalte ebenfalls aus gutem biblischem Grund anderer Meinung sein.

 

Phil. 2,5-8

Habt diese Gesinnung in euch, die auch in Christus Jesus war, der in Gestalt Gottes war und es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein. Aber er machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem er den Menschen gleich geworden ist, und der Gestalt nach wie ein Mensch befunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben...

entweder…

…man sieht in "göttlicher Gestalt" die Präexistenz Jesu. Diese Annahme ist hier m.E. die nächstliegende.

Damit war Jesus im Himmel existent, mit Herrlichkeit ausgestattet und in göttlicher Gestalt / Erhabenheit, Gott gleich eben (das "gleich" wird zuweilen gerne weggelassen aufgrund der Annahme, dass "Gott gleich sein" dem Verständnis nach "Gott sein" bedeuten würde).

Nun sagen die einen, dass Gott Mensch geworden sei, während die anderen eher sagen, dass Jesus die Herrlichkeit beim Vater verlassen habe, um Mensch zu werden. 

Beides kann - verkürzt betrachtet - wie ein 33-jähriges "eintauchen" in die Menschheit angesehen werden, um anschließend wieder in die ursprüngliche Sphäre zu entschwinden.

oder…

…man versteht darunter die verheißene Herrschaft des Messias.

Ohne Zweifel war dem verheißenen Messias, wenn er schließlich kommen sollte, Herrschaft und Herrlichkeit verheißen. So sagte der Engel zu Maria über das Kind, das von ihr geboren werden sollte: "Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben und er wird über das Haus Jakobs herrschen in Ewigkeit, und seines Königtums wird kein Ende sein" (Lk 1,32-33). Diese Hoheit hat der Herr Jesus allerdings nicht angestrebt, sondern größten Wert darauf gelegt, Gehorsam zu sein, auch wenn er dadurch wie ein Nichts sein Leben beenden müsste - was er auch tat. Aber genau darum hat Gott ihn nicht nur über das erhoben, was auf Erden ist, sondern auch über alles, was im Himmel ist (Phil 2,9-11).

Wenn der Herr Jesus die Herrlichkeit verlassen hat, um Mensch zu werden und seinen Auftrag zu erfüllen, um anschließend wieder in diese Position zurückzukehren, dann ergeben die Verse 9 bis 11 nicht viel Sinn, nach denen seine Erhöhung eindeutig als eine Belohnung für seinen Gehorsam beschrieben wird: "Darum hat Gott ihn auch so hoch erhöht..."

Viele weitere Verse hierzu und ohne Auslegung sind unter Bibelstellen zu finden.

Ich glaube inzwischen nicht mehr an die reale Präexistenz, wohl aber, dass der Sohn Gottes von Anfang an der Dreh- und Angelpunkt in Gottes Plänen und Verheißungen war, die er dann jeweils zu seiner Zeit ausgeführt hat.